Saxony first?

„Wenn man jeden Konflikt der Welt zum Eigenen macht, dann ist das der Untergang.“

Michael Kretschmer

 

Dieser mit Applaus bedachte Satz changiert inhaltlich irgendwo zwischen „Wir sind nicht das Sozialamt der Welt“ (was bekanntlich nicht nur Horst Seehofer zum politischen Aschermittwoch verkündete) und der Friedensrhetorik der Linkspartei im Rahmen des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr.

Der Satz von Michael Kretschmer vollendet einen seit Wochen vernehmbaren Aufruf zum Egoismus, der verfängt und mir Sorgen bereitet. Der Ministerpräsident gibt damit ein Versprechen, das gern geglaubt wird: Bevor wir anfangen, den Gürtel enger zu schnallen, prüfen wir erst mal, ob wir uns nicht raushalten können. Wer denkt, mit dieser Haltung könne man gesinnungsethisch ins Hintertreffen geraten, irrt. Hier dient der Wille zum Frieden und zur Verständigung als moralischer Erzählrahmen, denn wer möchte schon verantworten, dass das Blutvergießen in der Ukraine weitergeht.

Gleich zu Beginn zitieren die Moderatorinnen Grünen-Fraktionschefin Franziska Schubert, die auf einen zu weichen Kurs gegenüber Russland in der Vergangenheit hingewiesen hatte. Hier hätte sich der Ministerpräsident klar positionieren können, ob die Morde im Donbass in den letzten Jahren Teil des Dialogs mit Moskau waren. Doch statt zu antworten erklärt Kretschmer, dass er sich schon länger mit diesen Ländern befasse und deshalb einen Wissensvorsprung besitze. Ob sich dieser auch auf die drei baltischen Staaten bezieht, die ihre Unabhängigkeit einst an die Sowjetunion verloren und seit Jahren mit der Angst vor russischer Aggression leben, bleibt unklar. Die Ukraine, dieses kleine Land, wie wir später erfahren, ist jedenfalls nicht europäisch genug, unseren vollumfänglichen Schutz zu genießen, von dem auch niemand weiß, wie der konkret aussehen soll.

Aber was würde bei einem Raushalten oder „Einfrieren im jetzigen Zustand“ passieren, wie Kretschmer es fordert? Warum sollte Putin jetzt aufhören, ein Land zu erobern? Dies fragt Martin Dulig zurecht und erhält keine klare Antwort.

Zu den zahlreichen Widersprüchen des Abends gehört die Betonung der Raushaltediplomatie bei gleichzeitiger Hervorhebung der bundesdeutschen Größe und Wirtschaftskraft. Aber wem verdanken wir diese Omnipotenz historisch?

Erinnern wir uns an das Ende des Zweiten Weltkrieges, welcher die kleine Ukraine übrigens acht Millionen Menschenleben kostete, darunter fünf Millionen Zivilisten. Deutschland wurde geteilt, aber eingebunden. Als die Nachkriegsordnung Ende der 1980er Jahre wankte, hatte Sachsen das Glück, eine friedliche Revolution vollziehen zu dürfen. Das verdanken wir selbstverständlich zuerst den mutigen Männern und Frauen in unserem Land. Aber auch jenen Staatsmännern, die sich nicht rausgehalten haben.