Kliese/Dr. Stange: Vier Jahre UN-Behindertenrechtskonvention in Sachsen – eine beschämende Bilanz.

Mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention am 26. März 2009 wurden deren Inhalte auch in der Bundesrepublik geltendes Recht. Die konkrete Umsetzung in den Ländern, so empfiehlt es das Deutsche Institut für Menschenrechte, das über die Umsetzung offiziell wacht, soll durch Aktions-und Maßnahmenpläne geschehen. Die schwarz-gelbe Regierung weigert sich seit mehr als drei Jahren beharrlich, einen solchen Maßnahmenplan auf den Weg zu bringen. Entsprechende konstruktive Vorschläge der Opposition wurden abgelehnt. Mit dieser Haltung steht Sachsen inzwischen isoliert zwischen den vielen Ländern, die sich längst auf den Weg gemacht haben.

Kliese erklärt: „Selbstbestimmtes Leben von Menschen mit Behinderung wird in erster Linie durch bessere Teilhabemöglichkeiten erreicht. Teilhabe an Weiterbildung, Arbeitsleben und Freizeit. Noch immer sind überdurchschnittlich viele Menschen mit Behinderung arbeitssuchend, obwohl sie zumeist abgeschlossene Berufsausbildungen haben. Ein Zugang zu Freizeitmöglichkeiten bleibt ihnen mangels baulicher oder kommunikativer Barrierefreiheit oft verwehrt. Wir leben immer noch in diskriminierenden und oft auch ökonomisch nicht sinnvollen Parallelwelten.“

Die Staatsregierung, so Kliese weiter, habe es verabsäumt, mit einem Maßnahmenplan konkrete Schritte einzuleiten. So ist es nach wie vor in Sachsen an der Tagesordnung, dass die UN-Behindertenrechtskonvention mißachtet und damit Völkerrecht gebrochen wird. Das gilt sowohl für das Recht auf die freie Wahl des Wohnraumes als auch der Bildungseinrichtung.

Dr. Stange erläutert: „Immer mehr Eltern erreichen eine Integration ihrer Kinder in den Grundschulen oft erst mit einem Widerspruch gegen die ursprüngliche Entscheidung der Schulbehörde zur Überweisung auf eine Förderschule. Dieses diskriminierende Verfahren widerspricht der UN-Behindertenrechtskonvention und benachteiligt vor allem die Kinder, deren Eltern nicht in der Lage sind, in den Streit mit der Bildungsagentur zu treten. Spätestens nach Klasse 4 ist es nur noch wenigen Kindern mit Behinderung möglich ihren Weg an einer Mittelschule oder einem Gymnasium fortzusetzen. Damit bleiben ihnen auch das Abitur und oft auch der Mittelschulabschluss verwehrt. In Sachsen sind davon vor allem Kinder mit Lern- und Verhaltensauffälligkeiten bzw. geistiger Behinderung betroffen. Vollkommen unbefriedigend ist zudem die personelle Unterstützung zur Förderung der Schüler mit Behinderung, wenn sie integrativ unterrichtet werden. Von Jahr zur Jahr werden die Bedingungen in Sachsens Schulen schlechter, bei gleichzeitigem Anstieg der Integrationsquote. Statt max. 25 Schüler, wie in der Integrationsverordnung vorgesehen, sitzen auch in Integrationsklassen bis zu 28 Kinder. Selbst die minimale Zahl der Förderstunden von 0,5 bis max. 5 wird oft nicht umgesetzt, da es schlicht an den Lehrkräften fehlt. Diese Art der qualitativ schlechten Integration ist kontraproduktiv für alle Kinder mit und ohne Behinderung und für die Akzeptanz der Integration von Kindern mit Behinderung bei den Eltern und Lehrkräften.

Die Landesregierung muss dringend fördernde Bedingungen für die Kinder schaffen, so wie es die UN-Behindertenrechtskonvention vorsieht. Die SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag fordert dazu eine Änderung des Schulgesetzes in der Weise, dass die Eltern und nicht die Schulbehörde über den Ort der Förderung ihrer Kinder entscheiden und eine verbesserte und verbindliche Ausstattung der Schulen mit qualifiziertem Personal zur Förderung der Schüler. Die rein statistische Steigerung der Integrationsquote vertuscht die gravierenden qualitativen Mängel. Integration und gleichberechtigte Teilhabe an Bildung von Kindern mit Behinderung ist nicht zum Null- oder gar Spartarif zu haben. Die sächsische Landesregierung hat das offenbar immer noch nicht verstanden!“

Dresden, den 25. März 2013