Opfer der SED-Diktatur mahnen zu Demut

„Das Kollektiv und die Arbeit waren die höchsten Güter in der DDR. Dabei ist das höchste Gut die Menschenwürde. Doch dieses Gut wurde in der DDR – gerade in den Kinderheimen – missachtet und der herrschenden Ideologie untergeordnet.

Es ist höchste Zeit, nun eine Debatte über die Schicksale der Opfer von DDR-Kinderheimen zu führen. Für Manche ist es leider schon zu spät. Die Betroffenen werden älter und verschwinden irgendwann für immer.

Was wünschen sich die Betroffenen? Die Ansprüche sind sehr vielfältig. Es geht auch – aber nicht nur – um materielle Entschädigung. Vielmehr geht es um einen offenen gesellschaftlichen Diskurs. Wir sind in der Pflicht, ein Bewusstsein für die Schicksale der Opfer der SED-Diktatur zu schaffen, sie ernst zu nehmen und ihnen zuzuhören. Wir haben in den vergangen 20 Jahren viel Energie darauf verwendet, friedliche Revolution und Wiedervereinigung zu feiern. Zu Recht. Jedoch ist das nur eine Seite der Medaille. Denn neben jenen, die in Talkshows und auf Festveranstaltungen über ihre Verdienste berichten können, gibt es auch die Gebrochenen. Jene, deren psychische Schäden so enorm sind, dass sie kaum artikulieren können, was ihnen geschah.

Wir müssen nicht nur die ‚Helden‘ der friedlichen Revolution und der Wiedervereinigung, sondern auch die Opfer des DDR-Unrechts ins Licht des öffentlichen Bewusstseins bringen: Mit materieller Entschädigung, vor allem aber, indem wir ihnen mit Achtsamkeit und Respekt begegnen.

Ich warne davor, die heutige Debatte zur Beweihräucherung Einzelner oder zu einseitigen Schuldzuweisungen zu missbrauchen. Wenn es um Entschädigung und Rehabilitation der Opfer der SED-Diktatur geht, gab es Versäumnisse auf allen Seiten. Vielmehr sollten uns die Opfer zu Demut mahnen.“

Dresden, 10. Mai 2012